In Szeged hat die Theissblüte begonnen

In Szeged hat die Theissblüte begonnen

Das Wunder der Tisza-Blüte – Ein Leben für einen Tag

Eintagsfliegen, kurzlebige Insekten, die sich in riesigen Schwärmen zur Paarung versammeln, sind bereits seit der Antike bekannt. Aristoteles (384–322 v. Chr.) bezeichnete sie als Ephemeron, was so viel bedeutet wie „für einen Tag lebend“. In Ungarn war Marsigli der erste, der das Phänomen der Tisza-Blüte schriftlich festhielt.

Die Tisza-Eintagsfliege (Palingenia longicauda) ist die größte Eintagsfliegenart Europas. Ihr Körper ist 2,5 bis 3,8 cm lang, und mit den langen weißen Schwanzfäden kann sie insgesamt bis zu 12 cm erreichen. Sie besitzt zwei Paar zarte, leicht geäderte, hellbraune Flügel. Die Weibchen sind größer und haben breitere Flügel als die Männchen, ihre Schwanzfäden sind jedoch kürzer, was ihnen ein schnelleres Fliegen ermöglicht.

Ein Weibchen legt etwa 7.000 bis 8.000 Eier auf die Wasseroberfläche. Diese sinken auf den Gewässergrund, wo die Larven schlüpfen und sich in den tonhaltigen Boden eingraben. Sie ernähren sich von organischem Detritus im Schlamm. Die Entwicklung dauert etwa drei Jahre und umfasst rund 20 Häutungen. Das Wachstum hängt stark von der Wassertemperatur ab.

Ist die Entwicklung abgeschlossen, beginnt – meist bei warmem, windstillem Wetter – das Schwärmen, die sogenannte Tisza-Blüte. Die Männchen erscheinen zuerst als sogenannte Subimago, eine flugfähige Übergangsform. Sie fliegen ans Ufer, häuten sich ein letztes Mal und werden zum adulten Insekt (Imago). Die Weibchen erscheinen etwas später, überspringen die Subimago-Phase und schlüpfen direkt als Imago. In diesem Stadium nehmen sie keine Nahrung mehr auf – sie widmen sich ausschließlich der Fortpflanzung.

Das Schwärmen erfolgt in mehreren Phasen: Beim Vorschwärmen fliegen nur einige Hundert Tiere, während der Hauptphase – dem beeindruckendsten Teil – können es Millionen sein. Am Ende, beim Nachschwärmen, sind es nur noch wenige Dutzend. Das Schauspiel findet meist zwischen 18 und 21 Uhr statt.

Neben dem faszinierenden Anblick hat die Tisza-Blüte auch eine große ökologische Bedeutung. Die Eintagsfliegen stellen eine wichtige Nahrungsquelle für zahlreiche Fisch-, Vogel- und Amphibienarten dar. In früheren Zeiten nutzten Bauern diese Fülle auch als Futter für ihre Nutztiere. Die Larven schaffen durch ihre Grabaktivität im Flussbett Lebensraum für andere Bodenorganismen.

Leider ist die Tisza-Eintagsfliege in Westeuropa bereits Anfang des 20. Jahrhunderts ausgestorben, auch in Mitteleuropa ist ihr Bestand stark zurückgegangen. Heute kommt sie in großer Zahl fast nur noch in der Theiß (Tisza) vor, obwohl sie einst in weiten Teilen Europas verbreitet war – mit Ausnahme Skandinaviens und des Mittelmeerraums. Der Rückgang ist auf den Klimawandel zurückzuführen, vor allem aber auf menschliche Eingriffe wie Flussregulierungen, Flussbettveränderungen, künstliche Uferbefestigungen und Wasserverschmutzung.